Das Wasser ist zu hoch, wir können hier nicht...

Nachdem wir 2 Tage bei Annette und Michael – die kein Auto und Gefrierfach 😉 besitzen – ist unser nächstes Ziel sich mit Freunden, die selbst über 1,5 Jahre mit dem Wohnwagen unterwegs sind, in der Nähe von Weilheim zu treffen. Auf dem Spielplatz in Weilheim überlegen wir wie die nächsten Tage aussehen könnten. Wir haben große Lust sie zu treffen und merken gleichzeitig dass es schwierig scheint alle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Vor allem unser Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Freiheit. Sie kommen mit Wohnwagen. Wo sollen wir uns treffen und wie lange. Es darf Klarheit gefunden werden. Nicht so einfach, denn es soll Nachts unter 5Grad fallen. Fürs uns ein Problem, denn für solche Temperaturen sind wir nicht gerüstet 🥶 – noch nicht.  

 

Lorena bittet mich Martin anzurufen. Ein Teil in mir meldet sich, der ungern nach Unterstützung fragt. Altes Muster von „Ah das schaffe ich schon alleine“. Ich überwinde mich und rufe Martin an – wir kennen ihn vom Bio-Holzhaus. Er schlägt uns einer Wasserbank zum Zelten an der Ammer vor – etwas versteckt meint er. Nach dem Telefonat spüre ich Dankbarkeit und auch etwas Stolz, dass ich ihn angerufen habe. Yeah. Beim Versuch die Stelle zu finden gelangen wir in einen immer schmaleren Weg – für unsere Fahrräder nicht mehr befahrbar. ️ Als wir nicht mehr weiterkommen begegnen wir einer Frau, die vielleicht weißt wo wir die Stelle am Flussbett finden könnten. JA, klar kennt sie diese Stelle. Allerdings hat es viel geregnet ️ und das wirkt sich auf den Fluss und die Umgebung aus. Wir sollen schauen was in den Bergen passiert. Okay. Sie erklärt wohin genau wir fahren sollen und im gleichen Atemzug lädt sie uns in ihre Gästejurte in ihrer Jurten-Gemeinschaft ein – dass wir dort die nächsten 4 Tage in einer gemütlichen mit Holzofen bestücken Jurte verbringen – weiß noch niemand. Denn wir fahren noch zum Flussbett und schauen uns die Stelle an, finden aber keine Feuerstelle von der Martin gesprochen hat. Kein Wunder, denn als in den nächsten Tagen die Ammer fällt, kommt die Feuerstelle plötzlich zum Vorschein. Am Wasser kommt erstmal der Hunger – also kochen wir was. Dann haben wir die Wahl zwischen Zelt mit 5Grad oder gemütlicher warmer Jurte mit Kuscheldecken und Holzofen. 

Die nächsten 4 Tage verbringen wir also in der Jurtengemeinschaft in der Nähe von Peißenberg. 😊 Wir lernen fast alle Gemeinschaftsmitglieder kennen. Dort zu sein und die Gemeinschaft zu spüren bringt viele eigene Gemeinschaftserinnerungen und Prozesse in uns hoch. Was brauchst du um in Gemeinschaft leben zu können? Was bedeutet Gemeinschaft für dich überhaupt? Wie triggern dich andere? Warum wirst du überhaupt getriggert? Das Leben in Gemeinschaft bringt dich auf jeden Fall an Themen die dir vorher unbekannt waren. Manche leben dort bereits 10 Jahre. Wir lernen Walter kennen, er erzählt etwas aus dem Leben und seinen schmerzhaften Prozessen mit seiner Partnerin auf die er jetzt mit Freude und Glück zurückschaut. Ich werde ganz weich beim Gespräch mit ihm und spüre eine tiefe Verbindung und gleichzeitig auch eine Sehnsucht nach dem Wunsch an einem geeigneten Ort mit Gleichgesinnten zu leben. Ich möchte ihn umarmen und tue es auch. Aho.️ Er zeigt uns auch seine Jurten die er selbst gebaut hat. In der Jurtengemeinschaft werden jährlich ca. 6 -8 Jurten produziert, viele der Bewohner helfen dabei. Das Leben in einer Jurte ist naturnah und bescheiden. Minimalistisch. Ein Leben im Einklang mit den Urkräften der Natur. Der Platz wirkt magisch und unberührt. Nachts hören wir den Fluss und das gelegentliche Summen einer Mücke. Die Nacht ist kristallklar und der Mond leuchtet 🌕 auf die Gärten, in denen Gemüse in Hülle und Fülle wächst. Der Platz ist mit Lehmboden gesegnet. Die Zucchini, die uns angeboten wird, könnte eine türkische Großfamilie für mehrere Wochen sättigen. 

Berge font-white

Auch Gabriell lernen wir kennen, er zeigt mir wie man die Stämme entrindet. Es fühlt sich stimmig an, etwas beim Jurtenbau zu helfen, als Dank, dass wir hier sein dürfen. Beim Helfen stellen wir uns im Rhythmus des Entrindens gegenseitig Fragen und „connecten from heart to heart“ 😉. Feel you brother. In meinem Kopf möchte ich ihm möglichst viel helfen. Spüre leichten Stress in mir aufsteigen, denn die Kinder und Lorena bräuchten auch Unterstützung. Aus meiner alten beruflichen Zimmererlehre, kenne ich das Handwerken nur im Zusammenhang mit Zeitdruck und Stress. Doch Gabriell entspannt mich mit seinen Worten: „Ah nur keine Eile“. Er erzählt darüber wie dankbar alle sind, dass sich Menschen auf politischer Ebene dafür eingesetzt haben, dass dieses Projekt weiter bestehen bleiben darf. In Zeiten von strikten Regeln, Vorschriften und Paragraphen ein Zeichen für alle Menschen, dass das Leben im Einklang der Natur und seiner Bescheidenheit mit sehr geringem Strom- und Wasserverbrauch funktioniert und realisierbar ist. Trotz aller Widrigkeiten leben die Menschen hier friedlich und für mich glücklich zusammen. Ein Teil von uns möchte am liebsten bleiben. Ein großer Teil in mir sehnt sich nach dieser Art von Leben. Minimalistisch, naturnah und Bedacht auf die Ressourcen, die Mutter Erde zur Verfügung stellt. Ich stelle mir immer wieder die Frage: Was brauche ich eigentlich wirklich zum Leben – fernab von vielem Konsum. Wir singen mit Gitarre zum Abschied alle zusammen noch unser Lied: „Ich fliege hoch wie der Adler im Wind, ich fliegen weit erkenne wie viele wir sind… HeyYaHo“. Wir kommen wieder.

 

Wir umarmen uns und hören wieder wie das Gummi der Reifen über den Schotter rollt. Die Schlechtwetterfront mit kalten Nächten und viel Regen haben wir wohlig warm in der Jurte überstanden. Jetzt fühlt es sich stimmig und befreiend an wieder auf dem Fahrrad zu sitzen. Wir fahren Richtung Garmisch - und wissen zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass am Abend unsere erste Wild/Waldcamping-Erfahrung auf uns wartet. Aho.

 

 

Danke für die Zeit mit und bei euch. We love u all.

 

 

*alle Namen zum Schutz der Intimität und Diskretion geändert.

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